Anycubic 4Max Pro 2.0

Völlig unerwartet tauchte ein neuer 3D-Drucker von Anycubic bei uns auf:

Der 4Max Pro 2.0.

Selbst auf der offiziellen Anycubic-Seite ist er noch nicht zu finden. Also was ist das denn jetzt bitte für eine Maschine?

Kurz gesagt: eine neue Version des voll eingehausten Würfels 4Max Pro, der vor ca. anderthalb Jahren herauskam.

Stephan hat Mitte September den 4Max Pro 2.0 von Gearbest gestellt bekommen mit der Bitte um einen kurzfristigen Testbericht. Diese Aufgabe habe ich dann gerne übernommen, da ich der von uns bin, der die meisten 4Max Pro hat, also habe ich ihn gleich abgeholt.

„Brandneuer Look – Rundum-Upgrade“ – ist da was dran?

Erstmal die technischen Daten lt. Gearbest, Übersetzung von mir:

● Drucktechnologie: FDM (Fused Deposition Modeling)
● Bauraum: 270 mm x 210 mm x 190 mm (X/Y/Z)
Layer-Auflösung: 0.05-0.3 mm
● Positionier-Genauigkeit: X/Y/Z 0.01/0.0125/0.00125mm
● Anzahl Extruder: einer
● Filament-/Düsen-Durchmesser: 1.75 mm / 0.4 mm
● Druckgeschwindigkeit: 20~150mm/s (empfohlen 50mm/s)
● Unterstützte Materialien: ABS, TPU, PLA, HIPS, etc.
● Umgebungstemperatur: 8ºC – 40ºC
Extruder Temperatur: max. 260ºC
● Heizbett Temperatur: max. 100ºC
● Software: Cura, Simplify3D, Repetier-HOST
● Dateiformat: G-Code
● Anschlüsse: SD Card, USB-Kabel (nur für Experten)
● Anschlusswerte: 110/220 V AC, 50/60 Hz, 350 W
● Drucker-Abmessungen: 454 mm × 466 mm × 410mm (H/B/T)
● Nettogewicht: ~18.8 kg

Als Optimierungen gegenüber der ersten Version werden aufgeführt:

● selbstschmierende Graphit-Lagerbuchsen für die Z-Achse
● TMC-2208 Steppertreiber für leiseren Betrieb
● Dual Drive Direkt-Extruder, der auch TPU unterstützt
● 350 W Meanwell Netzteil
● größere Leveling-Drehknöpfe
● dynamisch ausgeglichene Druckkopf-Lüfter

Ansonsten die vom Vorgänger bekannten Eckdaten:

● fertig aufgebaut
● komplett eingehaust (Filamentrolle extern)
● großer Bauraum
● Ultrabase (beschichtete Glasplatte) als Druckplattform
● 3,5″ Touchscreen
● Bauraum-Beleuchtung
● Filamentsensor
● Fortsetzen nach Stromausfall

Und nun mein Testbericht mit den Tatsachen…

Das ist er also in seiner ganzen Pracht, der 4Max Pro 2.0.
Mir gefällt die neue Farbe, ein dunkles Stahlblau, sehr gut und ebenso das Rauchglas-Grau von Abdeckung und Türe. Viel dezenter als vorher.
Blick in den Innenraum.

Diese Menge an Zubehör ist bei Anycubic üblich.
Immer praktisch: das komplette Ersatz-Hotend.
Eine 500 g Rolle weißes PLA ist auch noch dabei.

Eine hilfreiche, gedruckte, 7-seitige Kurzanleitung zur Inbetriebnahme liegt bei.
Die ausführliche Anleitung ist auf der SD-Karte, sonstiger Inhalt siehe rechtes Bild.
Alles sowohl auf Englisch als auch auf Chinesisch.

Da das Gerät fertig aufgebaut kommt muss man ihn nur auspacken, wie beschrieben alle Transportsicherungen entfernen (die vier Hülsen auf der Y-Achse nicht vergessen), den Filamentsensor auf der Rückseite anschließen und festschrauben, die Spulenhalterung (leider wieder nur 70 mm breit und hinter dem Gerät) einhängen, schon kann es losgehen mit dem übers Display geführten manuellen Leveln, das kalt durchgeführt wird, aber ganz gut passt. Wie üblich ist das Bett wieder eine Schüssel, aber immerhin kratzt die Düse in den Ecken noch nicht am Bett, wenn der Abstand in der Mitte stimmt.

Der 4Max Pro 2.0 ist mechanisch eigentlich gleich aufgebaut wie Version 1, da gab es auch nix auszusetzen, das Gehäuse ist schön, stabil und sauber verarbeitet. Auch ist alles gerade und nix rattert.

Der Drucker basiert für den X/Y-Antrieb auf dem Makerbot-Prinzip, nicht auf dem moderneren CoreXY, welches einige andere Drucker im Würfelformat nutzen. Aber auch hier bewegt sich das Druckobjekt nur in der Z-Richtung, ist also keinen starken Vibrationen oder Beschleunigungen ausgesetzt wie bei den klassischen Bettschüttlern, die es dauernd entlang der Y-Achse vor- und zurückschubsen.

Leider ist der Bauraum in Z-Richtung um 15 mm geschrumpft, dafür aber in Y um 5 mm gewachsen. Aber 270*210*190 mm^3 (X/Y/Z) sind immer noch reichlich.

Durch die TMC-2208 Steppertreiber ist die Geräuschkulisse deutlich angenehmer, auch wenn die Lüfter schon noch hörbar sind, besonders der des Innenraumfilters. Alle anderen je nach Last oder Temperatur geregelt, letzteren werde ich aber abhängen, der nervt und hat eh wenig Sinn.

Ein kleines, aber mir sehr willkommenes Detail: die Innenraumbeleuchtung ist jetzt rein weiß, nicht mehr mit farbverfälschenden blauen LEDs durchsetzt. Fein, muß ich die LED-Leiste diesmal nicht tauschen.

Sehr schön: der neue Druckkopf ist deutlich kompakter ausgefallen, so daß man während des Drucks einen besseren Blick auf das Druckobjekt hat.

Zwei stärkere 5015 Lüfter mit besserem, vereinfachtem Luftweg.

Die Verteilerplatine sitzt jetzt links.

Rechte Seite mit dem Bauteillüfter.

Der BMG-Klon, beide Lüfter abgebaut. Der Luftkanal in der Mitte jetzt zielt jetzt direkter auf den Kühlkörper.

Leider ist keine Silikonsocke auf dem V5-Heizblock, aber endlich ein praktischer Riemenspanner für die X-Achse.

Dieser Riemenspanner war aber leider horizontal verkehrt herum eingebaut, sodass das Riemen-Ende rechts an die Umlenkrolle stieß, 2-3 mm bevor X auf 270 mm war. Das lange Teil gehört nach links, das kurze nach rechts.
Die Luftdüse für die Bauteilkühlung ist leider mal wieder viel zu komplex mit viel zu kleinen Auslässen, da nutzt der stärkere Lüfter auch kaum etwas.
Sowas kommt dann dabei heraus, OK, das PLA war auch nicht mehr ganz frisch und es ist zu heiß gedruckt.

Rechts: meine selbst konstruierte simple Düse und eine V5 Silikonsocke.

Nach diesen Optimierungen kommen sehr schöne Drucke heraus, nur einige feine Härchen waren vorhanden, da der Rückzug noch nicht optimiert ist. Natürlich wieder in meinem Turbo-Modus 60 mm/s, 0,5 mm Linienbreite, 0,25 mm Schichtdicke. Rot: Qidi Tech PLA

Blau: Anycubic TPU Shore A95

Blau: Anycubic TPU Shore A95, oben etwas zu schwach gekühlt oder zu schnell…

Grau: Fiberlogy TPU FiberFlex Shore D30 (entspricht ca. A82, weich wie ein Gummiring)

 

Der neue Druckkopf schlägt sich also hervorragend, wenn selbst das superweiche TPU FiberFlex 30D problemlos geht, dieses lässt sich nur nicht durch den Filamentsensor schieben und es muss sehr leichtgängig abrollbar sein, also darf man es auch nicht durch den Bowden führen.

Der Kopf des originalen 4Max Pro mit seinem Titan Klon Extruder hat schon das TPU A95 in seinem Inneren zu einem Knäuel verarbeitet…

Das neue Hotend ist leider wieder kein Full Metal, es gehen also maximal 245 °C an der Düse, da ein kurzer PTFE-Inliner im Coldend und Heatbreak drin ist. Aber mittlerweile gibt es auch ABS- und ASA-Varianten, denen das ausreicht.

Leider ist auch diesmal wieder der falsche Thermistor in der Firmware hinterlegt, sodaß die Düse 15-20 °C heißer ist, als man eingestellt hat und als angezeigt wird.
Die Firmware-Version ist nun also V1.3.1.

Einzige sichtbare Änderung im Menü: das geführte Leveling.

Und damit sind wir bei meinem Hauptkritikpunkt, der Firmware:

Es ist wirklich beschämend für Anycubic, daß sie es in den anderthalb Jahren seit Markteinführung des originalen 4Max Pro nicht geschafft haben, eine anständige Firmware zu erstellen. Eigentlich sogar noch länger, und zwar seit der Einführung des zweiten i3 Mega Modells, das nicht mehr das 32bit Chitu-Board, sondern das 8bit Trigorilla mit ATMega2560 nutzt. Letzteres ist in allen Anycubic FDM Druckern mit Touchscreen außer dem Predator drin, dieser hat ersteres, ebenso die Photon Serie.

Ich zähle die Probleme der Firmware mal nur kurz auf: sie basiert auf der uralten Marlin Beta-Version 1.1.0-RC8, die Touchscreen-Unterstützung wurde regelrecht reingehackt, sodaß es selbst Anycubic nicht mehr blickt, oder ihnen ist der Programmierer abhanden gekommen. Nicht einmal den Typ des tatsächlich verbauten Thermistors können sie eintragen, geschweige denn die zum Extruder passenden E-Steps. Hier waren auch wieder die vom Titan drin, wie schon beim Mega Pro, obwohl beide Drucker einen BMG Klon haben. Die Filament-Ende-Erkennung ist quasi komplett nutzlos: der Kopf fährt nur etwas hoch, aber nicht aus dem Objekt heraus an die Seite, das Filament-Wechsel-Menü bleibt blockiert. Dasselbe bei der Pause-Funktion. Die Lüfter-Steuerung ist auch verbockt, das PWM zu grob und die Leistung auf hier 84% beschränkt. Letzteres führt zu einem lustigen Effekt: man stellt im Slicer 50% Lüfter ein, das Display zeigt 60% an, da 60% von 84% nunmal 50% von 100% sind. Die Dateiauswahl ist auch sehr kritisch mit den Dateinamen, kann keine Unterverzeichnisse und Umlaute sowie manche andere Sonderzeichen. Das Fortsetzen nach Stromausfall habe ich noch nie getestet, da es mit der Ultrabase eh nicht funktionieren kann, weil sich nach deren Abkühlen das Druckobjekt von alleine ablöst und durch erneutes Aufheizen sicher nicht wieder damit verbindet.

Das alles habe ich schon lange und bereits mehrfach beim Anycubic-Support moniert, erst jetzt wieder wegen des Mega Pro und des 4Max Pro 2.0 hier. Der aktuelle Supporter war zwar sehr verständnisvoll, bemüht und wollte helfen, schien mir aber doch eher frustriert, daß er anscheinend intern auch nicht mehr machen kann, als die Problemberichte zu sammeln, diese an die Entwicklung weiterzugeben und dann darauf zu warten, daß sie irgendwann in die Produktion einfließen. Er hat sogar behauptet, daß die Marlin-Source des alten 4Max Pro von Juni 2019 auch für den neuen passt, das ist aber leider nicht ganz richtig, da dann zumindest das geführte Leveln nicht mehr funktioniert. Aber das ist eh viel zu primitiv angelegt, es werden nur die 4 Ecken des Betts angefahren, die Mitte nicht.

Auch die hier bei uns schon kursierenden Firmwares die auf der Ai3M von David Ramiro basieren, inkl. der von Poket-Jony, funktionieren nicht ganz, da seit dem Mega Pro ein neuer Display-Typ (Anycubic statt DWIN) verwendet wird, der wohl teilweise andere Befehle nutzt. Das meiste funktioniert zwar, aber die Dateiauswahl nicht richtig, diese alternativen Firmwares sind also im Moment noch komplett unbrauchbar.

Ich habe mir jetzt erstmal aus der V1.2.3 Source des alten 4Max Pro eine Firmware gebastelt und darin Thermistor, E-Steps und Lüftersteuerung korrigiert. Daß das geführte Leveln nicht geht, stört mich nicht, dafür habe ich schon lange ein gCode-Skript und den Filamentende-Sensor brauche ich nicht wirklich, da ich immer dabei bin, wenn meine Drucker laufen. Ich wechsle auch nicht mitten im Druck die Farbe oder bräuchte die Pause-Funktion für sonst irgendwas.

Fazit:

Der 4Max Pro 2.0 hat durchaus ein paar sinnvolle Verbesserungen gegenüber dem ersten Modell erhalten, besonders den BMG Klon Extruder und die ab Werk vorhandenen leisen TMC Stepptertreiber. Gegen ein Netzteil von Meanwell und größere Leveling-Schraubenköpfe ist auch nix einzuwenden. Auch die einfache Verstellung des Z-Nullpunkts über eine mit Flügelmutter gekonterte Schraube mit großem Kopf, die den Z-Endtaster betätigt ist ein großer Fortschritt gegenüber dem Langloch am Taster.

Die Version 2.0 hat er also verdient.

Die Druckqualität ist wirklich sehr gut, sogar TPU verarbeitet er jetzt anstandslos.

Auch ist er unter den ab Werk voll eingehausten Fertigdruckern immer noch unschlagbar im Preis/Leistungsverhältnis, also in der Klasse unter 500,- €.

Leider wurden einige lange bekannte Mängel immer noch nicht behoben, allen voran die Firmware, aber auch der zu kurze und unpraktisch auf der Rückseite angebrachte Rollenhalter. Und es wurde die Chance verpasst, ihm ein Full Metal Hotend zu spendieren, als der Kopf neu konstruiert wurde.

Wenn man mit den Mängeln der Firmware leben kann, dann ist das ein wirklich guter Drucker, der auch noch schön aussieht.

Ich kann aber durchaus verstehen, daß für den Endanwender, der nicht so ein Bastler ist wie ich, diese Probleme ein K.O.-Kriterium sein können. Natürlich sollten diese Funktionen schon vollständig nutzbar sein, sie werden ja schließlich explizit beworben und sind bei anderen Druckern ganz normal.

Update, 12.10.2020:
Gearbest hat nun die Freigabe erteilt, da er jetzt wohl kurzfristig lieferbar ist. Der Preis ist mit 415,- € jetzt auch wirklich sehr gut.

Update, 23.11.2020:
Nun gibt es endlich zumindest mal die Hex-Datei der ab Werk installierten Firmware V1.3.1: Marlin_TFT_4MAXPRO_V1.3.1_0512.ino_.zip

Update, 24.01.2021:
Experimentelle Firmware auf Basis der Knutwurst i3 Mega: hier im Forum.

Die Diskussion zu diesem Testbericht und zum Drucker im Allgemeinen bitte hier im Forum führen.

Update, 30.10.2021:
Knutwurst hat den 4Max Pro 2.0 offiziell in seine Firmware hier eingebaut.

Er bittet darum, dies zu testen. Ich selbst habe den 4Max Pro 2.0 aber nicht mehr, kann das also leider nicht tun. Freiwillige vor!

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