
Filament- und Kunststoffrecycling
Ich muß hier wohl keinem die Vorteile von Kunststoff erklären und wir sind uns sicher einig, daß Kunststoff in unserem Leben einfach nicht mehr wegzudenken ist. Das heißt aber nicht, wir würden uns keine Gedanken über damit verbundene Probleme machen und der beste Weg, ist das Recycling. Problem dabei, man muß viel Geld in die Hand nehmen oder einen Recycler finden. Da kam die Idee von Prusa gerade richtig, in seiner Weltkarte auch 3D-Druck-Abfall Recycling aufzunehmen.
Im Moment sind es gerade eine Handvoll Einträge für Deutschland, aber das wird sich hoffentlich noch ändern. Welch ein Wunder, einer ist auch ganz in meiner Nähe und natürlich hab ich mir das mal vor Ort angesehen. Die Rede ist von Thomas, dem Betreiber von Johannplasto in Dresden Johannstadt.
|
Ich geb es zu, wenn ich nicht wüßte, wo er sich versteckt, dann würde ich da wohl achtlos an dem Haus vorbei gehen. Er teilt sich das Domizil mit dem Bürgerbüro der Grünen und seine Auslage im Fenster geht ein wenig unter. Das find ich etwas schade. Das was er da macht, braucht keinen 3D-Drucker um es zu unterstützen! Etwas aggressivere Werbung für Recycling sollte auch einem Schaufenster der Grünen gut zu Gesicht stehen.
So sehr wir auch bemüht sind, den Abfall zu vermeiden, Fehldrucke, Stützstrukturen, Brim, Skirt, Raft… etwas davon bleibt immer übrig. Gelber Sack/Tonne… funktioniert nicht. Die Rester kann keiner mehr auseinanderhalten, um sie zu recyceln. Trennen der Abfälle ist also oberste Pflicht! Und dann?
Über die Herstellung von recyceltem Filament haben wir uns bereits Gedanken gemacht. Es wäre zwar schön, ist aber sehr aufwändig, wenn es zu einem hochwertigen und brauchbaren Filament werden soll. Der Filamentextruder allein genügt nicht und ist allein schon recht teuer in der Anschaffung. Dazu kommen ein Schredder, ein Wickler… und das rechnet sich bei den Filamentpreisen für einen User nicht.
![]() |
![]() |
Johannplasto geht einen anderen Weg. Neben den üblichen Thermoplasten aus dem 3D-Druck wird hier alles Thermoplast verarbeitet. Also in erster Linie auch aus Verpackungen wie Kunststoffflaschen, Plastikbechern und so weiter. Thomas sammelt das Material nach Sorten getrennt und je nach Verwendung auch nach Farbe. Das jedoch nicht so konsequent, wie ich mir das zunächst vorgestellt habe. Im Moment produziert er gerade kleine Tomatenmesser mit Plastikgriff und so ein wenig bunt tut der Optik keinen Abbruch. Die Möglichkeiten sind da groß und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bit-Schraubendreher im Set, Lampenhalter, Karabiner… um nur mal paar Beispiele zu nennen.
![]() |
![]() |
Wie funktioniert das nun? Zunächst werden die Abfälle geschreddert und im Anschluß portionsweise zur kaugummiartigen Masse aufgeschmolzen. Ähnlich wie im 3D-Druck geschieht es mit Temperaturüberwachung und kann dem jeweiligen Kunststoff angepaßt werden. Unter dem Heizelement wird die Gußform positioniert. Obst und Gemüsemesser gehen wohl recht gut! es stecken gleich 3 Klingen in der Form. Danach ist etwas Körpergewicht von Vorteil und es muß schnell gehen. Eine Presse drückt den „Kaugummi“ über einen Stößel aus dem Heizelement in die Druckgußform. Sobald der Kunststoff mit dem Metall der Form in Berührung kommt, beginnt das Material fest zu werden. So bleibt nur wenig Zeit für den Vorgang. Mit dem Abkühlen schrumpft das Material geringfügig und erleichtert so die Entnahme aus der Form. Die Entfernung der Gußkanäle und Grate erfolgt dann von Hand und während das Teil entnommen wird, schmilzt die nächste Portion Kunststoff im Heizelement auf.
Keine Frage! So eine Gußform ist ein Frästeil und kostet etwas Geld. Für ein einzelnes Teil ist das sicher nicht sinnvoll. Mitunter sind Druckteile mit der inhomogenen Struktur und damit geringen Belastbarkeit in den Layerebenen jedoch nicht geeignet für verschiedene Aufgaben und als hätte Thomas meine Frage schon erwartet, hat er mir dann diesen Schalter gezeigt. Nicht billig und nur 20 Stück hat er davon als Auftragsarbeit hergestellt. Ein Frästeil würde sich auf keinen Fall als Form rechnen. Die Lösung war eine Gußform aus dem Harzdrucker. Nach der halben Stückzahl begannen Teile aus der Form zu bröseln. Lösung war recht simpel. Die Fehlstellen wurden mit Harz wieder ausgefüllt und unter UV-Licht ausgehärtet. Es war jetzt nicht das 0815-Harz aber immernoch günstiger als ein gefrästes Teil. Es kann zumindest auch mit kleinen Stückzahlen gearbeitet werden und dennoch wirtschaftlich vertretbar sein.
Was soll ich dem jetzt als Schlußwort noch hinzufügen. Thomas hat meinen Horizont erweitert und ich sehe da eine sinnvolle Verwertung für meine Plastikabfälle. Das beschränkt sich auch nicht auf die Filamentabfälle!
Aah ich hätte es fast vergessen. Thomas produziert tatsächlich Filament. Nicht durch Extrusion und das Video dazu geistert schon länger durch das Netz. Für Deutschland ist es mit dem Pfand auf Getränkeflaschen auch nicht wirklich sinnvoll. Nur sind wir hier sehr dicht an der tschechischen Grenze und dort gibt es das Pfandsystem leider nicht… Also hat er aus PET-Flaschen Filament erzeugt.
Also wenn Ihr in der Nähe wohnt, dann bringt doch Eure Kunststoffabfälle vorbei, um das Recycling zu unterstützen. Solltet Ihr weiter weg wohnen, dann habt Ihr hier vielleicht eine Möglichkeit der Realisierung für die Fertigung von Kunststoffteilen gefunden. Und wenn es dazu inspiriert, selbst damit zu beginnen, dann ist der Thomas sicher auch ein guter Ansprechpartner. Hier noch paar kurze Videos von ihm:
https://youtu.be/8xjXTgmcgkI
Hi,
noch mal was zu diesem Thema:
Die wollen ja alle „sortenrein“.
Wie macht Ihr das? Wie genau geht das?
Ich versuche ja grundsätzlich auch PETG und PLA zu trennen, aber kann nicht ausschließen, dass mal ein paar Schnipselchen verkehrt in den Sammeleimer kommen.
z.B. wenn ich den Kotbehälter reinkippe und mal beides gedruckt hatte.
Wenn ich von einem auf ein anderes Material wechsele, fliegt dieses kleine Stück Spülung in den Müll. Der Rest ist nicht Farb- aber Sortenrein. Poop hab ich nicht. Ich hab WC.
Super dass Du dir den Kopf machst aber auf der Karte von Prusa findest alles was sich wohl irgendwann einmal bei Prusa registriert hat, nur halt keine Recyclingannahme oder ähnliches. Es gibt aber Online die recyclingfabrik.de dort kann man sein Material einschicken und erhält sogar Mengen Rabatte für neues Material, dann von diesen und in der Auswahl sehr beschränkt.
Also wirkliches recycling für Otto kaum zu finden. Da muss sich hier noch einiges ändern, denn Plastik hat nicht nur Vorteile sondern auch eine Menge nachteile…
Schaust Du auf das 2.Bild, dann findest Du auch Recycling auf der Karte. Zur Recyclinfabrik hab ich mich schon oft geäußert. Das wiederhole ich jetzt nicht. Ich hab auch nicht bestritten, daß Plastik Nachteile besitzt. Ich reihe mich aber nicht in die Reihe der Leute ein, welche den Kunststoff verteufeln. Das wird dem Kunststoff nicht gerecht. Die Nachteile entstehen nicht durch den Kunststoff, sondern durch den Umgang damit und Recycling ist wohl eine gute Lösung.
Hi Leute, Thomas hier von Johannplasto.
Die Lichtschalter werden nicht gewerblich verkauft, war nur eine kleine Stückzahl für ein Offgrid-Projekt in Portugal (Project Kamp), Video dazu hier: https://youtu.be/VCx6je0auU0?t=2152
Die Schalter sind aus Polypropylen, was ein guter Isolator ist und auch oft für Elektrogehäuse eingesetzt wird (auch bei Schaltern). Klar ist aber auch, dass es mit recyceltem Kunststoff nicht einfach ist diese zertifizieren zu lassen, vor allem wenn man wie ich Polypropylen aus unterschiedlichem Müll beziehe. Man muss dazu meines Wissens jeden Batch des Granulats auf Brandschutzeigenschaften usw. testen lassen.
Jedoch habe ich Anfang meines Recyclingprojekts Lampen hergestellt und diese von einem Institut testen lassen. Heraus kam, dass die recycelten Platten aus Polypropylen sehr gut als Elektrogehäuse geeignet sind, HDPE nur bedingt, Video dazu hier:
https://www.instagram.com/p/CLXD58pHk2G/?utm_source=ig_web_copy_link&igsh=MzRlODBiNWFlZA==
Wie bereits erwähnt lasse ich aus Kosten- und Aufwandsgründen die Finger davon, aber ich denke, dass es durchaus möglich ist Schalter und Steckdosen aus recyceltem Kunststoff herzustellen und zu vertreiben, wenn alle erforderlichen Tests durchgeführt werden.
Vielen Dank für eure Sorge und Interesse, hier schonmal ein Vorgeschmack aufs 3D-Druck-Müll-Recycling, bin gerade dabei die ersten Produkte aus recyceltem PLA herzustellen:
https://www.tiktok.com/@johannplasto/video/7337320929682345248
Feine Zeit euch allen!
Thomas @johannplasto
Vielen Dank für die Infos! Ob nun zulässig oder nicht, hat mich bei dem Schalter in erster Linie die gedruckte Form begeistert. Dann bin ich mal gespannt auf Recycling-PLA Produkte.
Hi Uwe,
die Idee, die dahintersteckt, ist klasse. Nur eine Sache macht mich stutzig: Dass er Bauteile wie Lichtschalter draus macht. Die müssen nach DIN Norm aus Duroplasten hergestellt sein, da sie im Falle eines Kurzschlusses und daraus ggf. folgender Wärmeentwicklung bis hin zum Brand eben NICHT schmelzen dürfen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, sind das aber alles Thermoplaste, korrekt? Wenn du einen guten Draht zu ihm hast, kannst du ihm das vielleicht weiterleiten – und vor allem die Bilder und Videos im Netz dazu entfernen, nicht dass er dahingehend Probleme bekommt.
Viele Grüße, Tobias
Ich bin als Maschinenbau-Ing. mit den Vorschriften für die Elektrik nicht vertraut. Klingt aber logisch von Dir. Zunächst würde ich mal behaupten, daß dieser Spritzguß nur mit Thermoplasten funktioniert. So weit sind wir uns da auf jeden Fall einig. Mir ist aber auch bekannt, daß es Filamente (auch Thermoplast) gibt, die brandhämmende Eigenschaften besitzen. Ich müßte dazu aber auch erst suchen, hab das aber bei 3DJake mal auf der Seite gesehen. Ich kann Dir aber auch nicht sagen, welcher Kunststoff dafür verwendet wurde. Eventuell findest Du dazu Infos auf den Seiten von Johannplasto. Ist sicher auch nicht jedermanns Geschmack mit den bunten Schaltern und war wohl nur eine sehr kleine Stückzahl, aber es ist zumindest ein Hingucker. In Summe ist es auf jeden Fall eine gute Sache und sollte unbedingt zum Nachmachen animieren.
Also ich weiß nicht wo du die Information her hast dass Abdeckungen für Lichtschalter aus Duroplasten hergestellt sein müssen. Das ist schon lange nicht mehr so. Ganz im Gegenteil wirst du im einschlägigen Fachhandel sogut wie keine mehr aus Duroplast finden. Was allerdings korrekt ist, ist dass auch diese Thermoplaste gewisse Brandschutzanforderungen erfüllen müssen die i.Allg. durch Zugabe von bestimmten Additiven erreicht werden. Diese feuerhemmenden Eigenschaften sind bei recyceltem Material (sowohl Granulate im Spritzguss als auch Filamente) garantiert nicht mehr gegeben! Somit wäre die Verwendung von bunt gemischten Kunststoffabfällen dafür zumindest mal kritisch zu hinterfragen. Der Thomas könnte sich da in der Tat auf recht dünnem Eis bewegen wenn er die gewerblich weiterverkauft.