Tutorial: 3D-gedruckte Kerzenform
Am Ende der Kerze ist noch zu viel Weihnachtszeit übrig? Aus aktuellem Anlass gibt es ein Tutorial zum Upcycling von Kerzenresten mithilfe eures 3D-Druckers und dem Orca Slicer.
Ich selbst bin (leider) sehr vernarrt in Kerzen. Dieses Jahr stand ich vor dem Problem, dass ein Teil der Adventskranzkerzen noch aus dem Vorjahr stammte. Entsprechend schnell waren diese aufgebraucht. Neue Kerzen waren teils unverschämt teuer, die Farbe passte nicht oder die Form hat mir einfach nicht gefallen.
Dieses längere Tutorial ist eigentlich ganz klein und eignet sich nicht nur, falls man generell neue Kerzen braucht. Es ist auch ideal, wenn die alten schon runtergebrannt sind obwohl wir gerade erst den zweiten Advent hinter uns haben.
Das Nachstellen vom Tutorial für die Gießform ist übrigens in wenigen Minuten erledigt. Probiert es also gern mal aus. Wer mit dem Slicer vertraut ist, braucht vielleicht 2 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: Anfänger
Was brauchen wir eigentlich?
einen 3D Drucker & Filament
PLA reicht völlig aus. Man kann natürlich auch PETG oder noch hitzebeständigeres Filament nehmen, aber ja, PLA reicht auch (wir brauchen nur ein paar mehr Wandstärken)
Kerzendocht
Kerzenwachs
Spezielles Kerzengranulat brauchen wir nicht. Irgendeine günstige Kerze oder alte Reste reichen völlig aus.
Einen Topf oder eine Schüssel
Damit wir das Wachs schmelzen können. Ein kleiner Topf funktioniert genauso gut wie eine Schüssel für ein Wasserbad. Alles bekommt man anschließend auch wieder sauber.
Einen Slicer
Weil nicht jeder Erfahrung mit CAD Software besitzt, machen wir das Ganze direkt im Slicer. Der Orca Slicer ist hier ein recht neutrales Tool, das für viele verschiedene Drucker funktioniert. Funktioniert aber beispielsweise auch exakt genauso im z.B. BambuStudio.
Gummis
Damit die Form am Ende besser zusammenhält, verwendet ihr zwei Gummis. Alternativ kann man auch etwas anderes darum wickeln.
Optional
Farben und Düfte
Teil 1 – Wir erstellen eine Gießform
Schritt 1: Projekt starten
Wir öffnen den Orca Slicer und legen ein neues Projekt an, also eine leere Druckplatte ohne Modelle.
Schritt 2: Grundkörper anlegen
- Neue Form erstellen
- Dem erstellten Würfel Maße zuweisen
Rechtsklick auf das Druckbett, Primitiv hinzufügen, Würfel auswählen. Ein Zylinder wäre ebenfalls möglich. Ich zeige es nachfolgend mit einem Würfel.
Jetzt solltet ihr ungefähr wissen, wie groß die Kerze später sein soll. Bei mir soll die Kerze einen Durchmesser von 60 mm haben und etwa 70 bis 80 mm hoch werden.
Also skalieren wir den Würfel auf mehr als 60 mm. Ich arbeite gern mit einem Rand von rund einem Zentimeter pro Seite, also 20 mm zusätzlich im Durchmesser.
Kerze 60 mm + 20 mm Rand = Kantenmaß von 80 mm.
In der Höhe setzen wir 90 mm. Wer mag, kann natürlich größer gehen. Schaltet am besten die einheitliche Skalierung aus.
Damit haben wir die erste Form vorbereitet.
Schritt 3: Ab in die Mitte
Der Kerzenwachs braucht natürlich auch seinen Platz. Jetzt kommen also die genauen Kerzenmaße ins Spiel. Damit alles schön gleichmäßig wird, platzieren wir das Objekt mittig auf dem Druckbett. Das erleichtert alle weiteren Schritte. Dazu einfach den Würfel mit Rechtsklick auswählen und „zur Mitte“ wählen. Wenn der Punkt ausgegraut ist, sitzt er schon perfekt in der Mitte.
Schritt 4: die Kerzenform
Ich mag eine runde Kerze, also klicken wir wieder auf das Druckbett, Primitiv hinzufügen und wählen den Zylinder aus (anfangs wahrscheinlich im Würfel versteckt). Das schieben wir einfach kurz zur Seite. In der Objektliste sieht man alle Modelle auf dem Druckbett.
Dieser Zylinder symbolisiert unsere Kerze. Den Durchmesser passen wir auf 60 mm an. Die Höhe wählen wir größer als die des Quaders, zum Beispiel 100 mm. Damit alles übersichtlicher wird, haben ich den Objekten unterschiedliche Farben gegeben. Orientiert euch gern an den Screenshots, falls etwas unverständlich wirkt.
Schritt 5: wieder mittig ausrichten
Mit einem Rechtsklick auf den Zylinder bringen wir ihn auf die Mitte des Druckbetts. Da der Quader bereits mittig ausgerichtet ist, teilen beide jetzt exakt denselben Mittelpunkt.
Schritt 6: Aushöhlen und Boden formen
Damit das Kerzenwachs später nicht unten herausläuft, braucht unsere Form einen Boden. Einzelne Objekte lassen sich nicht einfach vom Druckbett abheben, also verbinden wir Zylinder und Quader. Dazu beide anklicken, Rechtsklick und „Zusammenfügen“ wählen.
Schritt 7: Höhe anpassen
Jetzt können wir den Zylinder in der Höhe verschieben. Dazu anklicken und die Pfeile zur Positionierung nutzen. Alle Werte stehen zunächst auf 0. Den Z-Wert erhöhen wir auf 10 mm, damit zwischen Zylinder und Druckbett ein kleiner Abstand entsteht. Genau diese Höhe wird später die Dicke unseres Bodens. Dieser soll natürlich schön stabil sein, schließlich füllen wir später heißes Wachs hinein.
Schritt 8: Ausschneiden
- Zylinder aus dem Würfel schneiden
- Übrig bleibt das hier
Wir klicken wieder Zylinder und Quader an und nutzen die „Mesh-Boolesche Operation“ in der Leiste.
Wir wollen ‚Abziehen von‘ dem Quader und diesen ‚Abziehen mit‘ dem Zylinder. Oben stellen wir noch auf „Differenz“ um.
Beim aktivieren von „Eingabe löschen“ verschwindet der subtrahierte Zylinder, denn den brauchen wir nicht mehr. Anschließend auf „Differenz“ klicken und somit bestätigen.
Schritt 9: Zerteilen der Kerzenform
- Schneiden Werkzeug auswählen
- Und etwas drehen
Wir wählen das inzwischen einzige verbliebene Objekt, den gelochten Quader, aus und nutzen in der oberen Menüleiste die Funktion „Schneiden“.
Die Schneidefläche muss noch gedreht werden. Dazu einen Pfeil greifen und um 90° drehen. Manchmal geht das auch über eine Zahlen-Eingabe, bei mir hat es fürs Vorführen aber nur manuelles Drehen akzeptiert.
Wichtig: Noch nicht direkt bestätigen.
Schritt 10: Kleine Positionierhilfe hinzufügen
Im Schneide-Menü wählen wir „Verbinder hinzufügen“.
Wir nehmen die Form „Frustum“, da wir so Supports beim drucken umgehen und setzen die Tiefe auf 2 mm und den Durchmesser auf 6 mm.
Der schwarz markierte Bereich zeigt die Schnittkante. Mit dem Mauszeiger einfach darauf klicken und schon ist der Verbinder gesetzt. In den Einstellungen wird automatisch eine kleine Toleranz berechnet, damit der Stecker später nicht exakt die gleichen Maße wie das Loch hat. Wir wählen für beide 0,1 mm.
Pro Seite reichen zwei Verbinder aus. Wer mag, kann auch im Boden einen einsetzen. Aber: Die Verbinder halten die Form nicht, sie verhindern nur, dass die Kerzenform schief zusammengesetzt wird. Die Stabilität kommt später über ein paar Gummis.
Anschließend die Verbinder bestätigen und den Schnitt, der wieder als Oberfläche auftaucht, ebenfalls.
Mir ist an dieser Stelle der Orca abgestürzt, während ich einen Screenshot gemacht habe. Wenn ihr es bis hierher noch nicht getan habt, jetzt unbedingt speichern.
Schritt 11: Drucken
Jetzt geht es ans Drucken. Für PLA empfehle ich 4 Wandstärken und 15 % Infill. Bei PETG genügen in der Regel 2 Wandstärken.
Dank der Form der Verbinder brauchen wir keine Supports. Einfach direkt auf die Druckplatte legen und warten, bis alles fertig ist.
Teil 2 – Ein kleines Hilfsmittel
Damit wir gleich den Kerzendocht mittig positionieren können, benötigen wir noch ein weiteres kleines Hilfsmittel.
Wir erstellen einen Würfel mit 100 mm Länge, 10 mm Breite und 2 mm Höhe und richten ihn mittig aus.
Dann Rechtsklick auf dieses Plättchen und „Negatives Teil hinzufügen“ wählen, als Form einen Zylinder nehmen. Den Zylinder auf etwa 3 mm Durchmesser setzen und in der Höhe größer machen als das gerade erstellte Plättchen. So entsteht das „Bohrloch“.
In der Objektliste den Zylinder auswählen und mittig positionieren. Falls er jetzt in der Luft hängt, einfach über die Pfeile nach unten schieben, sodass er oben und unten leicht übersteht.
Anschließend slicen und drucken. 2 Wände reichen vollkommen.
Teil 3 – Wir gießen eine Kerze
Kerzenreste könnt ihr inkl. Docht einfach im Topf (oder Schüssel) schmelzen. Wenn das Wachs flüssig ist, lassen sich mögliche Dochtrückstände einfach entfernen
- alte Kerzenreste
- so wie sie sind in den Topf
- den alten Docht einfach raus fischen
Zum Einfärben kann man Lebensmittelfarbe verwenden. Ich selbst nutze spezielle Kerzenfarben, flüssig oder fest, aber man kann das Wachs auch einfach naturbelassen.
Hinweis: geschmolzene Kerzen haben einen stark abweichenden Farbton zur final gehärteten Version.
Wichtig ist ein Kerzendocht. Alternativ kann man auch einen alten, intakten Docht aus eingeschmolzenen Kerzen verwenden. Bei gekauften Dochten ist meist ein kleines Metallplättchen am unteren Ende dabei. Ich fixiere die gern mit Klebepunkten, man könnte auch ein Stück doppelseitiges Klebeband nutzen oder es ganz weglassen. Da geht es nur darum, dass sich der Doch beim einfüllen nicht zu sehr verschiebt.
Damit der Docht später schön mittig sitzt, brauchen wir unser Hilfsmittel (siehe Teil 2). Ein Holzstäbchen, Gabel, durchbohrtes Eisstäbchen oder ähnliches funktioniert aber auch.
- optionale Klebepunkte
- Holzstäbchen zum ausrichten
- flüssige Kerzenfarbe
Damit die Form zusammenhält, habe ich einfach zwei Haushaltsgummis darum gespannt. Alternativ funktionieren auch Haargummis oder ein Faden, den man fest verknotet. Irgendetwas davon braucht ihr, sonst droht Gefahr, dass Wachs ausläuft.
Beim ersten Mal habe ich die Form vorsichtshalber auf einen tiefen Teller gestellt. Falls etwas ausläuft, fängt der Teller den Wachs auf. Den kalten Wachs wieder wegputzen macht wirklich keinen Spaß.
Kerzenwachs geschmolzen? Docht positioniert? Gummis um die Form gespannt? Dann können wir jetzt gießen.
Füllt die Form so hoch, wie ihr wollt. Aber hebt eine kleine Menge Wachs noch auf, etwa die Menge eines gut gefüllten Teelichts. Warum? Wisst ihr gleich…
Dann heißt es warten. Bei den aktuell kalten Temperaturen stelle ich die Kerzen nach draußen. Dort brauchen sie etwa 2–3 Stunden, bis sie vollständig erkaltet sind.
In der Mitte kann sich eine unschöne Vertiefung bilden. Das ist normal wenn die Kerze dann auch in der Mitte fest geworden ist.
- Loch nach dem Erkalten
- Erneut etwas auffüllen und warten
- anschließend deutlich besser
Nehmt das aufgehobene Wachs, schmelzt es ein und füllt die Vertiefung wieder auf. Am besten noch einen kleinen Rand von etwa 1 mm mit auffüllen, dann verschmilzt alles sauber miteinander und ihr bekommt eine schöne Oberfläche.
Erst wenn die Kerze komplett ausgehärtet ist, lässt sie sich problemlos aus der Form lösen.
Jetzt ist sie bereit zum Anzünden! Und falls euch die Form nicht mehr gefällt oder wieder Reste übrig sind, könnt ihr sie wieder erneut einschmelzen und beispielsweise auch kleine Teelichter gießen.
Übrigens…
Das ist auch ein tolles Familienprojekt. Anstelle eines Zylinders lassen sich zum Beispiel auch Kugelkerzen gießen. Wer mag, kann sogar richtige Formen nutzen – Herzkerzen zum Valentinstag etwa? Ihr müsst nur schauen, dass man eine Öffnung zum einfüllen vom Wachs lässt und die Form zulässt, dass ihr die Kerze auch wieder heraus bekommt.
Das Ganze zeigt auch schön, dass man mit dem 3D-Drucker ein eigenes Werkzeug herstellen kann, das anschließend viele kreative Möglichkeiten eröffnet. Kerzen, Badebomben oder Seifen sind immer schöne selbstgemachte Geschenke, und dank unserer 3D-Drucker wird das Formen richtig einfach.
Falls also noch jemand keine Idee hat, was er zu Weihnachten verschenken mag: sowas ist auch ein Last-Minute-Geschenk.
In diesem Sinne
Frohe Weihnachten
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Kerzen muss ich wohl nicht verlinken. Die kann man oft in günstigen Geschäften wie Action und Kik kaufen.
Ohne Kerzendocht gibt es keine Kerze: 5,99 Euro auf Amazon
Flüssige Farbe finde ich netter als feste (in diesem Set sind sogar direkt noch Kerzendochte mit dabei): 8,99 Euro auf Amazon
Noch etwas Geruch dazu? Hier mit Weihnachtsdüften (kann man auch für Seife nehmen): 11,99 Euro auf Amazon































