Artillery Sidewinder X3 plus – günstiger Großformatdrucker

Evnovo/Artillery gibt mit dem Sidewinder X3 die getrennten Produktnamen auf, aus Sidewinder und Genius wird jetzt Sidewinder Pro und Sidewinder XL. Den Sidewinder XL3 Pro hat Stephan schon vor einem Monat vorgestellt: https://drucktipps3d.de/artillery-x3-pro/#more-38337 – und fragte ich, ob ich mich mal an einem Test vom großen Bruder versuchen will. Klar! 🙂

Der Drucker wurde uns kostenlos von Geekbuying zur Verfügung gestellt. Es gab keine Auflagen.

 

Aufbau:

Easy going. Am Ende, nach knapp einer Stunde stand der fertig vor mir. War fast schon zu einfach. Beim nächsten Mal wäre der in 20 Minuten aufgebaut, die restliche Zeit war Handbuch und Orientierung.

Das Gerät ist weitgehend vormontiert. Die Grundschritte für die Montage:

  • Basis rausholen (leider unten im Karton) und hinstellen
  • Portal draufstellen und die Ausrichtung prüfen, dann auf die Seite legen und mit vier Schrauben von unten anziehen
  • Ein paar Stecker von der Basis in die Buchsen am Portal stecken
  • Stabilisierungen an der Basis und oben am Portal anschrauben
  •  Spulenhalter anschrauben
  • Filamentsensor anschrauben
  • Halter für die Bedieneinheit anschrauben, Kabel einstecken
  • Abstreifer zum Düsenreinigen an das Bett schrauben

 

Die Basis liegt im Karton leider ganz unten – alles ist schön in Schaumstoff, aber um die Basis rauszuheben muss man einmal alles ausräumen.

Das Portal wird mit vier Schrauben von unten befestigt, ab da kommen nur noch Kleinteile.

Bei den Kabeln stutzt man kurz, denn im Handbuch ist das ein großer Stecker. Weil die beiden aber unterschiedlich groß sind, ist keine Verwechslung möglich.

Die Schrauben liegen vorsortiert in beschrifteten Beuteln. Wer sonst wie ich Voron und RatRig zusammenbaut, fragt sich am Ende: Was das war’s jetzt schon? Ja, das war’s.

 

Inbetriebnahme:

Viel ist nicht zu tun. Der Drucker hat einen kontaktlosen ABL-Sensor und nutzt den auch um Z auf 0 zu homen. Die Schritte sind im Wesentlichen:

  • Aufheizen, homen
  • Z-Offset einstellen: Bei dem Drucker geht das über das Display. Wie üblich braucht man ein Stück frisches Schreibpapier und tippt solange hoch/runter, bis das Papier leicht kratzt wenn man es bewegt. Dann „Speichern“ im Menü auswählen.
  • Jetzt wird einmalig das Bett mit den vier Justierschrauben ausgerichtet. Der Drucker fährt an vier Referenzpunkte in den Ecken, und dreht solange an der Schraube bis auch hier das Papier leicht kratzt. Weil jede der Schrauben auch etwas Wirkung auf die gegenüberliegende Ecke hat, soll man zwei Durchgänge machen. Drei werden nicht schaden.Hier gab es leider meinen ersten Kritikpunkt: Das Bett war bei meinem Drucker leicht verzogen, links vorne hängt das Bett durch – so sehr, dass ich nur links vorne oder rechts hinten ausrichten konnte. Durch das ABL ist das kein Beinbruch, denn das ABL-Mesh wird später erstellt und kann den Fehler ausgleichen. Hält aber auf, verwirrt den Einsteiger, ärgert den Fortgeschrittenen. Ok, bei den günstigen Chinadruckern ist ein verzogenes Bett leider nichts außergewöhnliches, gerade wenn der Drucker ein 300×300-Bett hat. Weglächeln, weitermachen 🙂
  • Jetzt muss unbedingt noch einmal Z kalibriert werden. Nach dem Papiertest wird wieder gespeichert.
  • Jetzt heizt man das Bett auf 70° und lässt es noch 10 Minuten zum Durchwärmen stehen, und lässt über das Menü das ABL-Mesh ausmessen und speichert es.

 

Im Wesentlichen war’s das jetzt, der Drucker ist fertig eingerichtet. Sonst baue ich Voron oder früher RatRig Drucker, diese schnelle Aufbau- und Einrichtungsprozedur war für mich ein bisschen verwirrend. So schnell kann das doch nicht gehen. Doch… 🙂

 

Erste Drucke:

Vor dem ersten Druck muss man im Slicer ein Profil erstellen. Das Handbuch schlägt vor, dass man sich ein fertiges vom Artillery Genius nimmt und ein paar Werte anpasst. Ich arbeite meist mit SuperSlicer, der hatte ein Profil für den Sidewinder X1, das habe ich genommen, weil z.B. die Maße schon stimmen. Hier musste nur noch im Startcode eine Zeile ergänzt werden, damit nach dem Homen das ABL-Mesh geladen wird:

Für einen ersten Druck reicht das schon. Für den Test habe ich keinen Druckserver angeschlossen sondern einfach „zu Fuß“ über eine Mikro-SD-Karte die Druckdateien transportiert. Einstecken, Drucken tippen, auswählen. Der Sidewinder X3 kann „eigentlich“ im Display zu den Dateien auch eine Vorschau anzeigen. Aber: Dafür muss man im Slicer Parameter eintragen, und Artillery verrät im Handbuch leider nicht welche Einstellungen sie brauchen damit die Bilder gelesen werden. Im Wesentlichen geht es um Thumbnailgröße und Bildformat. Leider gibt das schon so viele Möglichkeiten, dass mir beim Probieren die Geduld ausging. Wenn jemand Erfolg hat, würde ich mich über die richtigen Werte freuen.

 

Druckergebnisse:

Wie immer, hängt es an den richtigen Profilen, nicht am Drucker 😉 Ich habe ein paar Drucke mit PLA und TPU erstellt. ABS nennt Artillery auch als Möglichkeit, aber in Praxis sind große offene Drucker ungeeignet für „heiße“ Materialien wie ABS, Polycarbonat oder Nylon. PLA, PETG und TPU sind die Stärken dieser Drucker.

Mit PLA ist der Drucker völlig unauffällig und erzeugt die erwarteten Ergebnisse, ich kann da nicht klagen. Könnten meine Voron auch nicht besser 🙂

Die Ergebnisse bei TPU finde ich gerade für einen Einsteigerdrucker sehr positiv. Der X3 hat einen neuen Getriebeextruder bekommen der auch flexibles Material problemlos transportiert. Ich habe mir ein paar Radmutterkappen mit Filamentwechsel aus TPU gedruckt. Einfädeln problemlos, Filamentwechsel problemlos, und auch das Stringing hielt sich sehr im Rahmen. Für die ersten Ergebnisse habe ich 2,5mm Retract genommen, auch mit vielen Wechseln ist das überhaupt kein Problem. Der Drucker kann „Linear Advance“, damit wird sich das Stringing noch mal reduzieren lassen.

 

Was mir sonst noch auffällt:

  • Filamentwechsel: Die gängigen Kommandos wie M600 oder M125 funktionieren beim Sidewinder nicht. Ist bei Artillery ein altes Problem, das sich aus dem Zusammenspiel mit dem Display ergibt. Für ältere Drucker gibt es Updates, für diesen nicht.
  • Artillery hat hier eine LED-Beleuchtung für den Kopf spendiert. Nett, aber: Die Düse ist links, die Beleuchtung macht aber rechts hell.
    Hier noch mal flach fotografiert, damit man die Düse sieht:

 

Tempo:

Die Marlinversion im Sidewinder hat Funktionen für Input Shaping drin, so dass man die Qualität bei hoher Druckkopfbeschleunigung optimieren kann. Ab Werk sind bereits Werte eingetragen, mangels jeglicher Doku habe ich die übernommen und im Slicer mit 1500mm/s² für Infill und 1000mm/s² für Perimeter gedruckt. Mehr wäre möglich, aber bei  einem Drucker mit bewegtem 300er-Bett wollte ich nicht drüber. Druckgeschwindigkeiten habe ich bis 120mm/s ausprobiert, das modernisierte Hotend mit neuem Extruder macht das problemlos mit. Klare Ansagen zur Flussrate gibt es von Artillery nicht. Auf den Prospektfotos steht was von 300mm/s, im Fließtext werden „bis zu 200mm/s“ empfohlen. Ich werde bei Gelegenheit mal 150mm/s ausprobieren. Allerdings erwarte ich bei PLA dann den Bauteillüfter als Nadelöhr, insbesondere für Überhänge will PLA viel kalte Luft, und das kleine Kerlchen kann die Physik nicht abschaffen. Schauen wir mal 🙂

 

The good:

Mit dem Artillery Sidewinder X3 Plus bekommt man für schmales Geld einen großen Drucker, der sich leicht aufbauen lässt und auch dem Anfänger wenige Hürden hinstellt. Die Druckqualität ist untadelig, das Layerstacking sehr schön gleichmäßig. Falsch macht man mit dem Drucker nicht wirklich etwas. Ein Nachfolger ist allerdings schon angekündigt. Es wird kurzfristig schon den Nachfolger Sidewinder X4 (Pro und Plus) geben, diesmal trauen sie sich den Schritt zu Klipper. Damit wird sich noch ein bischen Tempo rausholen lassen, aber es bleibt abzuwarten wie anfängerfreundlich sie Klipper in diese „aufbauen und loslegen“-Drucker integrieren können.

 

The bad:

Die Düsen sind Exoten, mir ist kein Shop bekannt der Ersatz oder alternative Größen anbietet. Eine 0,4mm-Düse aus Messing ist eingebaut, eine zweite Düse liegt bei. Ich erwarte dass der X4 den gleichen Kopf hat und dann nach und nach auch andere Größen und andere Materialien zu haben sind. Momentan ist man aber auch das angewiesen was Artillery beilegt.

 

The ugly:

Artillery hat auf ihrer Webseite 0 Informationen zum Drucker bereitgestellt. Es gibt keine Handbücher, keine Firmwaredateien für Drucker und Display, keine Informationen zum eigenen Erstellen von Marlindateien. Eine Anfrage beim Support blieb unbeantwortet. Hier ist man auf das angewiesen, was die Community rausfindet und im Forum oder auf Youtube bereitstellt.

Zum Filamentabstreifer gibt es überhaupt keine Infos, man kann ihn im Menü auslösen, aber ein G-Code um das in den Startcode zu packen ist nicht dokumentiert. Vom Support gab es auch keine Antwort.

 

Kaufempfehlung:

Würde ich den Drucker kaufen? Als Einsteiger definitiv ja. Mit wenig Aufwand kommt man zu den ersten Drucken, und die sehen mit wenig Einstellarbeit schon gut aus. Um in der Größe mehr Tempo zu bekommen muss man zu Core-XY greifen, und da ist man schnell beim dreifachen Preis.

 

Werbung:

Der Artillery X3 Plus ist derzeit aus dem EU Lager von Geekbuying bei Verwendung des Coupon Codes: NNNDEARTX3 zum Preis von 279,- erhältlich. Stets neue Angebote findet Ihr auf unsere Seite Neue Angebote

8 Kommentare

  • Sehr interessanter Bericht.
    Steht bei mir auch schon(noch im Karton). Bin gespannt. Wird aber so laufen wie der X3 Pro, denke ich.
    Interessant:
    Artillery hat die Sendung des X4 an mich gecancelt…..wegen Umorientierung und Anpassungen!?
    Kommt dann erst nächstes Jahr.
    Ich glaube denen geht der Arsch auf Grundeis….wegen der Kubus Fraktionen.

    schaun mer mal…wird in jedem Fall interessant.

    Gruß
    Fred

  • Schön, das es noch paar andere Drucker als Bambu gibt und Laser hatten wir zuletzt auch zur Genüge. Da freut man sich sogar über paar Mängel, die man aufzeigen und diskutieren kann. Danke für den Bericht!

  • Danke für den super Testbericht!
    Noch vor kurzer Zeit hätte ich als Artillery Fan diesen Drucker auch gerne angeschaut.
    Aber bisher machen mir der alte Sidewinder X1 und der Genius immer noch so viel Freude, dass ich kein „neues Feature“ vermisse. 😉

  • Danke für deinen Bericht!
    Ist doch gar nicht übel für einen großen Drucker, der den Geldbeutel schont.
    Mich würden ein paar Einblicke unter die Haube interessieren – magst du bei Gelegenheit noch weitere Fotos posten?

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert